Die geologisch-geografischen Verhältnisse von Melchingen
(Erschienen 1972 im Melchinger Heimatbuch von Egon Viesel)
Wer vom Tübinger „Schloßberg“ aus über das Steinlachtal hinweg in Richtung Süden blickt, dem erscheint hinter den zum Neckar abfallenden Keuperhöhen die Alb wie eine einheitliche Mauer. Nähert man sich aber dann auf der Bundesstraße 27 dem Fuß der Alb, so löst sich der geschlossene Körper immer deutlicher auf in zahlreiche Vorberge, Terrassen und Vorsprünge der eigentlichen Albhochfläche.
Bei Ofterdingen macht das Steinlachtal eine Biegung nach Osten. Wir folgen ihm auf der Landstraße, und kurz hinter Mössingen treten wir in das Gebiet des Braunen Jura (Dogger) ein, nachdem wir uns schon von Dußlingen an im Bereich des Schwarzen Jura (Lias) bewegt haben. Der Braune Jura bildet den Sockel der Alb. Das Gelände zeigt unruhige Formen und ist stark zertalt. Die schweren, feuchten Böden lassen häufig nur Waldbestand oder Obstwiesen zu.
Diese führen bei Talheim in immer steilerem Anstieg hinauf zum Weißen Jura (Malm). Zuerst haben wir links den „Filsenberg“ (805 m) und rechts den „ Farrenberg“ (820 m), der durch die Abtragung schon ganz vom Albkörper abgeschnitten ist (Zeugenberg). Der Weiße Jura beginnt etwa dort, wo der Wald am Steilabfall ansetzt. Er besteht im unteren Teil (Weißjura-Alpha) aus wasserundurchlässigen Mergeln, so daß sich über ihm ein Quellhorizont bildet. Diesem verdankt die Steinlach ihren Ursprung. Darüber steigt die Stirnmauer der Alb auf, gebildet durch die 50 m mächtigen „wohlgebankten“ Kalke des Weißjura-Beta, die stark zerklüftet und deshalb wasserdurchlässig sind. Sie sind an der „Talheimer Steige“ in einem Steinbruch sehr gut aufgeschlossen.
Hat man den Aufstieg hinter sich gebracht (737 m). dann hört auch der Wald auf, und es öffnet sich überraschend ein weites, nur leicht gewelltes Ackerland mit schwachem Gefälle nach Südosten. Die Landschaftsgrenze ist deutlich. Wir befinden uns auf der Ebene der Betakalke und sehen vor uns ein Stück der „Schichtflächenalb“, das sich zwischen den drei Dörfern Salmendingen (ca. 800 m), rechts, Willmandingen (ca. 750 m), links, und Melchingen (ca. 730 m), geradeaus, erstreckt und in Richtung des Albinnern zum Laucherttal hin trichtertörmig verengt. Der Blick wird begrenzt durch bewaldete Bergzüge. Rechts, fast unmittelbar am Albtrauf beginnend, ist es zuerst der „Monk“ (884 m), dann, durch den Salmendinger Sattel getrennt, das .“Köbele“, mit 900 m die höchste Erhebung der ganzen Gegend. In Fortsetzung davon sehen wir das „Käpfle“ (851 m) und dahinter die „Buchhalde“ (867 m). Links erhebt sich am Albrand der fast kegelrunde „Ruchberg“ (825 m); dann haben wir südlich der Willmandinger Bucht „Längloch“ (819 m) und „Himmelberg“ (820 m). Dieser wurde erst in den letzten Jahren teilweise mit Fichten bepflanzt. Daran schließen sich der „Pfaffenberg“ (812 m) und die „Halde“, deren höchste Erhebung (859 m) ,, Kohlhalde“ genannt wird und den höchsten Punkt der Melchinger Markung darstellt. (Der tiefste Punkt mit 705 m liegt etwa 1,5 km weiter südöstlich, dort wo die Lauchert die Melchinger Markung verläßt.) Die zuletzt genannten Berge leiten von der „Schichtflächenalb“ über in die anschließende „Kuppenalb“, eine abwechslungsreiche, teilweise fast parkartig anmutende Landschaftsform der eigentlichen Albhochfläche. Die Randberge auf der rechten Seite dagegen bilden nur einen schmalen, firstartigen Höhenzug, der ein zweites Gebiet der „Schichtflächenalb“ abtrennt, nämlich das „Heufeld“. Dieses erstreckt sich, überragt vom „Kornbühl“ (886 m) und den „Bühlbergen“ (865 m), zwischen Salmendingen und Ringingen, verengt sich ebenfalls trichterförmig vom Albrand an und mündet schließlich unterhalb Melchingen ins Laucherttal. (Die Tatsache, daß die Traufkante durch Weißjura-Beta gebildet wird, ist typisch für die „Westalb“; in der „Mittleren Alb“ bilde:, ganz überwiegend die Weißjura-Delta-Berge den Albrand.)
Die Melchinger Markung ist also deutlich in zwei Stockwerke gegliedert. Sozusagen das Parterre ist das Gelände auf der Weißjura-Beta-Ebene, z.B. das gesamte „Salmendinger Feld“. Die Böden sind zwar steinig, aber gut und werden fast ausschließlich für den Ackerbau genutzt. Wo sich die Ebene zum Tal ausbildet und die Betakalke unter Schwemmböden untertauchen, beginnen die Wiesen, vom Dorf abwärts den Talgrund immer weiter ausfüllend. Zum unteren Stockwerk kann man auch noch die nächsthöhere geologische Formation zählen: Weißjura-Gamma, bei uns in einer Stärke von etwa 60 m ausgebildet. Sie bildet den Sockel der höchsten Erhebungen. Der Boden ist mergelig (,,Sehweichei“) und zäh und nicht mehr so günstig für den Ackerbau. Wir finden ihn etwa am Fuß des „Pfaffenberges“ {Flur „Letten“!) und unter der „Halde“ am „alten Turnplatz“. Er bildet den Horizont für die meisten Quellen auf Melchinger Gebiet.
Darüber steigt die Weißjura-Delta-Stufe an. Der Steilabfall ist überwiegend mit Buchen bewaldet. (Durch Fichtenpflanzungen auf ehemaligen Wiesen und Äckern ist in den letzten Jahren die Waldgrenze an verschiedenen stellen tiefer verlegt worden.) Nach oben geht die Delta Formation in Schwammfazies über, d. h. sie entstand weniger durch schichtweise Schlammablagerung als durch Korallenriffe, und so treten einzelne Felsstotzen heraus. Besonders deutlich sehen wir das auf der ,,Halde“ (,,Zweiter Felsen“), aber auch am „Pfaffenberg“, im „ Lattenwald“ und auf der „Mühlhalde „.
Das zweite Stockwerk – die Melchinger sagen „obe dus“ – wird gebildet durch die „Kuppenalb“. Die runden Buckel tragen teilweise Wald, wie etwa das (Melchinger) ,,Köbele“, oder Wiesen, z.B. der „Kalkofen“. Die Wiesen gehörten hier früher überwiegend zur Allmende. Sie wurden als Weide genutzt, was sich neuerdings wieder einbürgert, nachdem jeweils mehrere Parzellen zu großen Pachtstücken zusammengefaßt sind. Die Mulden und Wannen, in die eine tiefere Bodenschicht eingeschwemmt wurde, tragen Äcker, z. B. die „Rübteile“.
Wenn man sieht, wie sich das Tal der Lauchert von Melchingen an nach Nordwesten bis zum Albrand erweitert und wie sich der Talboden darüber hinaus noch in der Hochfläche des „Farrenbergs“ fortsetzt, dann wird klar, daß die Ausräumung einer so großen Talwanne nicht durch den heute noch fließenden Bach erfolgt sein kann. Man muß davon ausgehen, daß es zu der Zeit, als der Albrand noch viel weiter im Nordwesten verlief, einen Bach gab (,, Urlauchert“), dessen Quelle irgendwo hoch über dem heutigen Albvorland lag. In dem Maße wie der Albrand durch Abtragung zurückverlegt wurde, wurde auch der „ Urlauchert“ durch ·neckarseitige Bäche schrittweise das Wasser abgegraben. Wir haben also nur noch den Rest eines viel größeren Flußsystems vor uns, ein von der Steinlach „geköpftes“ Tal.
Dieser Abgrabungsprozeß, in dem sich die Steinlach auf Kosten der Lauchert immer weiter in den Albkörper hineinfrißt, geht dauernd weiter. Die „ Europäische Wasserscheide“ zwischen Rhein und Donau wird immer weiter zugunsten des ersteren verschoben, da seine Nebenflüsse tiefer liegen als die der Donau. Darauf ist auch zurückzuführen, daß das Wasser der Willmandinger Quellen größtenteils nicht mehr in die Donau gelangt, sondern auf dem Weg der Versickerung in den Neckar fließt. Die unterirdische Wasserscheide liegt schon weiter südlich als die oberirdische. Die genaue geografische Lage Melchingens ist bestimmt durch 48 Grad, 21 ½ Minuten nördlicher Breite und 9 Grad, 9 Minuten östlicher Länge.
Während man diese Werte einfach auf der Karte ablesen kann, ist eine regionale Zuordnung unserer Gemeinde mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Bei einer naturräumlichen Einteilung wird Melchingen i. allg. der landschaftlichen Einheit „Südwest-Alb“ zugeordnet, wobei der Ort in der äußersten Nordostecke des Gebiets liegt. Die Abgrenzung gegen das nordwestliche Albvorland scheint durch den Albrand deutlich gegeben, doch haben die wirtschaftlichen Beziehungen die Bedeutung natürlicher Grenzen in den letzten Jahren stark vermindert. Recht problematisch ist die Abgrenzung nach Osten zur „Mittleren Alb“. Während Gradmann 1) die Grenze entlang der Linie Lauchert- Fehla-Starzel zieht, bevorzugen Geyer-Gwinner 2) die Linie Lauchert-Seckach- Echaz. Huttenlocher 3) hält sich in unserem engsten Raum an die politische Grenze zwischen den ehemaligen Gebieten Hohenzollern und Württemberg, d. h. zwischen Kreis Hechingen und Kreis Reutlingen, was der vielfach gebrauchten Unterscheidung zwischen „Zollernalb“ und „Reutlinger Alb“ entspricht. (Teile von beiden sind aber wieder zusammengefaßt in dem Begriff „Sonnenalb“, der vor einigen Jahren durch eine neugegründete Fremdenverkehrsgemeinschaft geprägt wurde.) In einer Karte des Amtes für Landeskunde in Landshut 4) finden wir dagegen die Westgrenze Hohenzollerns, zwischen Hausen i. K. und Onstmettingen, als maßgeblich. Aus all dem geht hervor, daß eine eindeutige Zuordnung wohl gar nicht möglich ist. Sie fällt verschieden aus, je nachdem ob man geologische, wirtschaftliche oder kulturelle Gesichtspunkte in den Vordergrund stellt. Dies kam in letzter Zeit deutlich in den zahllosen Diskussionen zum Ausdruck, als Melchingen im Zug der Kreisreform dem Kreis Balingen und damit endgültig der Region „SüdwestAlb“ zugeordnet wurde.
1) In: Das Königreich Württemberg, Stuttgart 1904, 1. Bd, S. 47
2) 0. F. Geyer/M. P. Gwinner: Der Schwäbische Jura, Berlin 1962, S. 2
3) F. Huttenlocher: Die landschaftliche Feingliederung von Württemberg-Hohenzollern
In: Württemberg-Hohenzollern in Zahlen
2 (1948) 10-21
4) .,Die naturräumliche Gliederung Württembergs“ (nach den vom Amt für Landeskunde in Landshut für die Volkszählung 1950 ausgearbeiteten Grundlagen) In: Württemberg-Hohenzollern in Zahlen
5 (1950) Anhang