Hexenprozesse gegen Melchinger Einwohner

(Erschienen 1972 im Melchinger Heimatbuch, Text von Johann Adam Kraus | Lauchert-Zeitung 1937, Nr. 104)

Bastian Steublin von Melchingen

 

Urgicht (d. h. Bekenntnis) Bastian Steublin’s von Melchingen, guetlich und peinlich (d. h. unter der Folter!) bekannt den 21. März 1588. Erstlich hab er vor etlich Jahren einem Schuemacher zue Hechingen ein paar Schue abgekauft und ein paar kleine Schue dazu gestollen. 2. Jtem ainen Kuefer zue Trochtelfingen ain klains Kübelin gestollen. 3. Hin und wieder bis in die 20 Layb Brot gestollen, die er mit seinem Weyb und Kinder verspeyset. 4. Als er in einer Nacht uff seinem Lotterbett gelegen, da sei der böse Geist in höflicher Gestalt zu ihm komen und habe ihn befragt, ob er sein aigen sein welle. Der Steublin habe dies bejaht. Darauf hab der böse Geist begert, er solle sich Gottes, aller Heiligen und des himmlischen Heeres verleugnen, was er auch getan. Nun hätten sie sich die Hände geboten und Steublin vom Teufel zwei Baslergulden empfangen. Dann trug ihm der Böse auf, eine Scheuer anzuzünden, was er auch getan. Aber alldieweil man das Feuer bald bemerkte, wurde es gelöscht und kam nicht zum Ausbruch. 5. Der böse Feind gab ihm eine Salbe. Er schlug damit seinen Nachbarn im Namen des Teufels auf die Achsel, um ihn zu lähmen, es gelang aber nicht. Auch bei andern Leuten richtete er damit nicht viel aus. 6. Er habe einen Roßbuben angehalten, seinem Herrn Frucht zu stehlen, wofür er ihm zwei Bazen bezahlte. 7. Der Böse brachte ihm wieder zwei Gulden, darunter der eine nicht guet gewest etc.

Urteil:

Daß ermellter Bastian Steublin von Melchingen dem Nachrichter an seine Hand und Band geantwurdt werde, derselbe ihm alsdann seine Hand uf den Rucken binden demnach hinauß an die gewohnliche Richtstatt führe, daselbsten ihne mit Feuer vom Leben zum Tode richten und bringen, fürter auch sein toten Cerper zu Pulver und Aschen verprennen und dieselbe begraben solle.

Auf geschehene Fürbitte wurde der Malefikant zum Schwerte begnadigt und am 29. März 1588 hingerichtet. (Die Stätte seines Todes ist nicht angegeben, vielleicht liegt sie zwischen Melchingen und Salmendingen, wo an uralter Straße noch im 18. Jahrhundert der Galgen erneuert wurde, hart an der Salmendinger Grenze.)

 

Katharina Memler Adlerwirtin von Melchingen

 

Es war im Jahre 1596. Da starben der Adlerwirtin Katharina Memlerin zu Melchingen ihre 3 vier-bis achtjährigen Kinder an Pocken in wenigen Tagen, das Nervenfieber untergrub darauf die Gesundheit ihres blühenden Mannes Michael und kaum nach einem Monat folgte das kleinste Kind Baltas dem Vater ins Grab nach. Das war für die Frau zu viel, der Schmerz über den Verlust all ihrer Lieben raubte ihr den Verstand. Sie wurde menschenscheu und kümmerte sich um nichts mehr. Da eines Tages äußerte sie gegen ihre Nachbarin, die Kirchenbäurin, voll Freude: sie bekomme jetzt ihren kleinen Balthas wieder, gestern sei ein feiner Herr in der Küche zu ihr gekommen und hab ihr dies und noch viel mehr versprochen, wenn sie Gott und die Heiligen verleugne, was sie auch aus lauter Sehnsucht getan habe.

Trotzdem der Kirchenbauer als ein verständiger Mann seiner sehr verwunderten Frau darüber zu schweigen gebot, zumal die Magd der Adlerwirtin bezeugte, daß ihre kranke Herrin seit Wochen nicht mehr in der Küche gewesen sei, konnte jene den Mund nicht halten: noch am nämlichen Tage erfuhr es die Bachbäurin und ehe eine Woche verging, war das Geheimnis in ganz Melchingen herum: die Katharina hat mit dem leibhaftigen Gottseibeiuns einen Pakt geschlossen! Dies umso mehr, als bald darauf zwei Frauen, die von der Adlerwirtin angeredet worden waren, innerhalb acht Tagen die beste Kuh verloren. Der Dorfknecht Jörg Diener wußte bald wiederum dem Schultheißen zu berichten, kürzlich sei ein Kind am Adler vorbei, die Katharina habe es grimmig angeschaut und es erschrack, kam kaum mehr nach Hause und mußte schleunigst ins Bett. Weiter seien in der Nähe ihrer Wirtschaft alle Schweine umgekommen. Viele wollen dort nicht mehr vorbeigehen, denn die Käther sei eine Hexe. Man beschloß weiter zuzusehen. Nach einiger Zeit erkrankten wieder einige Kinder, wovon eines sogar starb. Aufpasser wollten wissen, daß diese Kinder vorher im Adler hatten etwas holen müssen, also könne ihnen nur die Wirtin etwas zu leid getan haben. Auch Vieh erkrankte, doch holte man sich hierüber einfach Rats beim Undinger Männle, dem „Kuoludle“ (er hieß nämlich Ludwig). Eines Tages kam der Jungnauer fürstenbergische Obervogt zur Schlichtung einer Streitsache nach Melchingen und kehrte ohne Vorwissen der Dinge im Adler ein zum größten Entsetzen des Schultheißen, der unter keinen Umständen dazu zu bewegen war, sich in besagter Wirtschaft dem herrschaftlichen Kommissar vorzustellen. Am andern Morgen meldet der Hausknecht dem Obervogt, seinem prächtigen Rappen müsse etwas zugestoßen sein, er liege krank im Gaststall. Trotz aller Mittel war das Tier auch nicht mehr auf die Beine zu bringen und verendete am Abend. Ungeheure Aufregung im Ort! Eine Untersuchung war nicht mehr zu umgehen, auf die besonders der Dorfknecht Jörg drängte. Von seiner Base, der alten Adlerwirtsmagd, hatte er erfahren, daß fast jeden Abend zwei Weiber in die Wirtschaft schleichen, auch der Geselle vom Brunnenschneider gehe dort aus und ein. Dieser wurde nun am 2. Mai vom Schultheißen Hieronimus Maichle in Gegenwart des Dorfknechts Jörg Diener verhört und gab an: Er heiße Georg Bressamer, sei aus Feuchtwangen in der Mark Brandenburg, evangelisch, 22 Jahre alt und hier seit einem Jahr. Von Hexensachen im Adler wollte er nichts wissen er gehe nur dorthin, weil ihm da das Getränk am besten schmecke. Der Schultheiß jedoch hielt ihn für verstockt und ließ ihn sofort in Banden legen.

Des andern Tages wurde die alte Adlerwirtsmagd vorgeladen und diese behauptete zu wissen: Der Teufel habe die Wirtin öfter besucht, habe den Namen Sträßle geführt und viel Geld mitgebracht, das aber Laub gewesen. Einmal habe er eine Büchse mit Salbe gebracht mit dem Auftrag, damit Menschen und Vieh, was sie wolle, zu schädigen. Das hab die Wirtin auch getreulich getan indem sie ihre Schürze mit Salbe bestrichen und damit Tier und Menschen mit wechselndem Erfolg geschlagen. Als einmal ein Mann von Daugendorf mit einem Knäblein im Adler übernacht blieb, habe die Wirtin das Kind mit einer Rute und der Salbe in des Teufels Namen auf das Auge geschlagen, doch wisse man nicht, ob es geschadet.

Ferner sei die Adlerwirtin oft mit dem Teufel, ihrem Buhlen, auf einem Stecken zur Breiten Heck auf dem Salmendinger Heufeld geritten. Dort habe sie getanzt und gesungen, auch jedesmal Wein mitgenommen, aber niemals Brot und Salz. So brachte die Magd mehr als 20 Punkte vor. Hierauf wurde die Adlerwirtin gefänglich nach Trochtelfingen eingezogen und ihr der Prozeß gemacht. Am 13. Tage erst wurde sie verhört und außer dem Genannten noch eine Menge geradezu lächerlich anmutender Anschuldigungen gegen sie erhoben. Auf alles hatte Katharina Memlerin nur die Antwort, sie sei unschuldig und habe nie mit dem Bösen ein Bündnis eingegangen. Aber man glaubte ihr nicht. Denn zwei weitere Zeugen aus Melchingen sagten in ähnlicher Weise wie die Wirtsmagd aus. Nach weiteren 20 Tagen wurde die Angeklagte wiederum vorgeführt und die Frage vorgelegt, ob sie sich schuldig bekenne. Trotz allem Zureden beteuerte sie, sie sei keine Hexe, sondern eine christliche Frau. Man legte ihr die Daumenschrauben an, schnürte ihr die Arme an der Handwurzel ab, hat die Glieder mit einer Walze auseinandergezerrt, daß die Gelenke, Muskeln und Bänder sich ausrenkten. Und hier unter den fürchterlichsten Qualen antwortet sie endlich in gewünschter Weise auf die Frage : ,. Bekennt Ihr euch der Zauberei und Hexerei?“ mit ja. Damit war die Untersuchung geschlossen.

Das gleiche Schicksal traf die beiden Weiber, die man als Mitschuldige der Wirtin betrachtete : Agatha Huber und Anna Burkhart. Auch sie wurden durch die Tortur zum Bekenntnis genötigt. Sie hätten ohne Zweifel, wenn gefragt, auch eingestanden, daß sie schuld an der Sündflut gewesen seien !

Weitere Hexen hatte man dazu ausfindig machen können. Das amtliche Protokoll führt vom benachbarten Salmendingen folgende vier Weiber auf: Barbara Schmidin, Margaretha Kromerin, Barbara Emlerin und Anna Felkin (Volk?). Ferner vom Amtsort Ringingen Anna Klinglerin und Barbara Schweizerin. Diese unglückseligen Frauen wurden nun ohne viel Umstände samt und sonders zum Feuertode verurteilt.

.,Da hat aber“, berichtet der betreffende Beamte, .,die Katharina Memlerin von Melchingen zum teil böse Arbeit machen wöllen, indem sie die anderen Weiber dafür beredt, ihre Bekenntnisse zurückzunehmen. Zwai Weiber aber haben nit zugestimmt, sondern sind standhaft blieben“. Erst dem Drohen der Richter und Zureden der Geistlichen gelang es, alle bis auf die Adlerwirtin zum Bekenntnis zurückzubringen. So wurden denn diese acht Weiber am 27. Juni 1596 auf dem Kallenberg bei Trochtelfingen zu Pulver und Asche verbrannt. .,Sie starben geduldig und christlich. Der allmächtige Gott verzeih ihnen semptlich ihre synden und Unrechttueng“.

Über die Adlerwirtin wurde ein neues Gericht gehalten mit sieben unparteiischen Zeugen und auch sie trotz Widerspruchs ihrerseits nach einigen Wochen zum Scheiterhaufen verurteilt. Vor ihrem Tode besuchte sie ein Geistlicher, doch sie verzichtete auf den Beistand dessen, der an ihre Unschuld nicht glaubte. So entbehrte sie auf ihrem letzten Gange die Tröstungen der Religion. Der 1. August 1596 brach an.

Gegen 6000 Zuschauer hatten sich um den Scheiterhaufen am Kallenberg versammelt, wie die Akten angeben. Der Aktuar verlas das Urteil: „Sintemalen die Adlerwirtin Katharina Memlerin von Melchingen sich durch die List Satans zu Hex- und Zaubereien hat verleiten lassen, dieses abscheuliche Verbrechen auch gerichtlich einbekannt, solches aber widerumb gelaugnet hat, dann durch sieben unparteiische Zeugen ihrer Missetat überwiesen worden, so hat das hiesige gräflich fürstenbergische Gericht zu Recht bekannt, daß besagte Katharina Memlerin durch Feuer vom Leben zum Tod gebracht werden solle.“

Nun brach man den Stab über sie zum Zeichen: so soll auch ihr Leben zerbrochen werden. Auf dem Holzstoß beteuerte sie noch ihre Unschuld. Es bedurfte des ganzen Aufwandes der blutrichterlichen und geistlichen Gewalt, um die Regungen der Menschlichkeit und Vernunft der Zuschauer zu unterdrücken. Der Richter aber setzte unter das Protokoll die Worte : .,Ist zu besorgen, genannte Katharina sei übel gefahren.“

Georg Bressamer, der unglückliche Schneidergeselle aus der Mark Brandenburg, wurde bald nachher durch das Schwert hingerichtet. Dies der gekürzte Bericht nach der Darstellung eines unbekannten J. B., der sich auf gerichtliche Akten beruft. Nach einem Eintrag des Pf. Schlotter in einem Melchinger Kirchenbuch wäre der Bearbeiter der bekannte Lehrer Seb. Locher und die (heute nicht mehr auffindbaren) Akten dem Regierungsarchiv Sigmaringen entnommen gewesen. Der Tübinger Professor Martin Crusius erwähnt in seinem Diarium: Am 17. Juni (alten Kalenders!) des Jahres 1596 wurden in Trochtelfingen im Fürstenbergischen 8 Hexen verbrannt. Man hatte sie entlarvt, als man eine Katze, die auf dem Dache den Tauben nachging, mit Steinwürfen nicht vertreiben konnte, bis man sie mit einem Büchsenschuß traf, da war die Hexe getroffen, welche die Katzengestalt angenommen hatte. Ohne Zweifel ist es aber übertrieben, wenn Crusius am zweiten Termin (22. Juli alten Stils und 1. August neuen Stils, 1596) zu Trochtelfingen gar 13 Hexen verbrannt werden läßt. Er sagt, eine Melchinger Wirtin, ein gar schönes Weibsbild, habe nämlich statt Hasen den Leuten Katzen gebraten, auch den Bauernwein mit Urin gepanscht. Es seien (wohl beide mal zusammen) je zwei Wirtinnen von Melchingen und Salmendingen dabei gewesen bezw. verbrannt worden. Die von J. B. genannte Jahreszahl 1598 dürfte wohl nicht stimmen, denn dem gleichzeitigen Crusius ist mehr Glauben zu schenken.